Vor nun fast drei Wochen ist unser damaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aufgrund schwerwiegender Plagiatsvorwürfe zu seiner Dissertation zurückgetreten. Seine Rücktrittserklärung war Gegenstand meiner Deutschklausur, welche ich drei Tage später geschrieben habe. Aufgabe war es, die Rücktrittserklärung nach eigenen Schwerpunkten zu analysieren und mit dem Semesterthema „Wissen und Verantwortung“ in Verbindung zu bringen.
Im Folgenden möchte ich das Ergebnis meiner Bearbeitung wiedergeben. Die Zeilenangaben beziehen sich auf den mir während der Klausur vorliegenden Text, den ich hier nicht einstellen kann. Herrn Guttenbergs Rücktrittserklärung im Wortlaut finden Sie auf Spiegel-Online im Artikel „Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht“.
Betrachtet man die Rücktrittserklärung zu Guttenbergs zunächst oberflächlich, so scheint der Minister endlich die Fehler seiner Dissertation erkannt zu haben und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen, dass seine Glaubwürdigkeit dadurch nicht mehr gewährleistet ist.
Untersucht man jedoch das Verhältnis, in das Herr zu Guttenberg Bezüge auf seine Dissertation und Bezüge auf seine Person, unter besonderer Betrachtung seines medialen Auftretens, gesetzt hat, so ergibt sich ein völlig anderes Bild.
Er beginnt damit, dass er nicht allein wegen seiner so fehlerhaften Doktorarbeit zurücktrete, Z. 4, sondern die „mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Guttenberg“ (Z. 15 f.) innerhalb der letzten Wochen gerichtet gewesen sei. Dann zählt er nach und nach auf, was durch die „mediale Betrachtung seiner Person“ alles in den Schatten gestellt worden sei:
- Der Tod und die Verwundung von 13 Soldaten, Z. 17.
- Ja, selbst die Revolution in Nordafrika, Z. 20, war medial durch die Maßnahmen bezüglich der Gorch Fock überlagert.
Hiermit maßt er sich an, inzwischen wichtiger als eine Revolution zu sein und unterstellt seinen Mitbürgern, nichts, als den ersten Artikel einer (Online-) Zeitung zu lesen.
Weiter möchte er nicht, dass „es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um [seine] Person“ (Z. 28) ginge.
Anders ließe es sich auch folgendermaßen ausdrücken: Er geht, denn er hat eine große mediale Aufmerksamkeit.
Ein Novum in der Politik! Das gleichzeitig reichlich sinnfrei erscheint. Warum nutzt Herr zu Guttenberg nicht die Medien, um seine politischen Ziele zu erreichen?
Die skandalöse Dissertation erwähnt Herr zu Guttenberg notgedrungen dann auch noch. Sogar mit einem ganzen Absatz, Z. 52-61 von insgesamt 86 Zeilen.
Er wolle sich an den Fragen hinsichtlich seiner Dissertation beteiligen, Z. 53 f., und wünsche sich eine zügige strafrechtliche Überprüfung, wenn diese denn überhaupt erforderlich sei, Z. 58-61; so der Tenor.
Zu einer klaren Stellungnahme, welchen Skandal seine Doktorarbeit für die deutsche Politik und den Wissenschaftsstandort Deutschland bedeutet, konnte sich Herr zu Guttenberg dann offenbar doch nicht durchringen.
Vielleicht aus Rücksichtnahme auf die Weltpolitik, welche durch den medialen Aufschrei, der daraus entstanden wäre, wieder völlig in den Schatten gestellt worden wäre…
Insgesamt zeigt sich, wie sehr Karl-Theodor zu Guttenberg seine Person zu inszenieren sucht und dabei sein tatsächliches Fehlverhalten, nämlich die Doktorarbeit, mit aller Macht aus dem Fokus der Aufmerksamkeit herausbewegen will.
Schleierhaft bleibt sein Abschlusssatz: „Ich war immer bereit zu kämpfen […]“ (Z. 84 f.). Wofür hat er hier, in dieser Affäre gekämpft? Die Ausgabe eines Plagiats als eigenes Gut, ist ein strafrechtliches Vergehen. Wollte er somit gegen geltendes Recht kämpfen?
Diese Frage muss wohl zunächst offen bleiben.
Herr zu Guttenberg redet zwar viel über Verantwortung, doch verpasst er es grandios, Verantwortung für seinen Fehler mit der Doktorarbeit zu übernehmen. Der Rücktritt ist im Grunde der richtige Schritt, wenn er Verantwortung übernehmen will, respektive muss.
Was bleibt, ist ein Minister a.D. Der (sicherlich) wider besseren Wissens ehrliche Verantwortung, zu der meines Erachtens das verbale Eingestehen seiner Fehler zunächst genügte, von sich weist und selbst im politischen Abgang mit aller Macht seine bislang gute Reputation zu erhalten sucht.